Die Nacht war kurz, nur 10 Stunden nach meiner Landung in Whitehorse war ich schon wieder am Gate. Endlich geht's weiter auf den Spuren des Goldes, alles dem Yukon River entlang nach Dawson - mit einem Charakterflieger noch dazu!

 

GPS-Track: [url]http://de.wikiloc.com/wikiloc/view.do?id=2537536[/url]

 

 

Die Hawker-Siddeley HS-748 ist ein britisches Kurzstrecken-Turboprop-Flugzeug, welches in den Fünfzigern als Ersatz für die DC-3 konzipiert worden war, und bei dem besonderen Wert auf gute Kurzstarteigenschaften gelegt worden war. Auch wenn sie heute nicht mehr in aller Munde ist, war die HS-748 mit 381 gefertigten Exemplaren in ihrer Nische ein voller Erfolg - und immerhin hat sie ja auch im extremen Norden bis heute überlebt!

 

 

 

Na, wem kommt das grüne Terminal noch bekannt vor aus Teil 1 des Berichts? Genau, da hatte bereits die Edelweiss geparkt!

 

 

Der Steigflug war angenehm langsam, und so entstanden schön tiefe Überflüge über die Flat Mountains nördlich von Whitehorse - auch noch ein kleines Video davon, inkl. Blick in die Kabine:

 

 

 

Der Anflug auf Dawson ist auch einer von der anspruchsvolleren Sorte - per GPS geht's dem engen Tal des Yukon entlang auf die Piste zu. Leider war das Wetter miserabel, und wir tauchten erst spät aus den Wolken aus

 

 

Welcome to Dawson City Airport!

 

 

Brrr, richtig nass. Wer kriegt schon vom Zuschauen Hühnerhaut?

 

 

Die alte Dame stürmt schon bald wieder über die Kiespiste, ihrem nächsten Ziel entgegen - ich bleibe dagegen für 24 Stunden hier

 

 

Heute ist Dawson ein beschauliches und nett hergerichtetes Städtchen im Wildweststil, welches vor allem von Touristen besucht wird.

 

 

Ganz anders sah das während des Goldrausches aus, als die hoffnungsvollen Goldsucher zu tausenden auf den Raddampfern von Whitehorse den Yukon hinaufgepaddelt kamen, um hier nach dem begehrten Edelmetall zu schürfen. Weniger als fünf Prozent von ihnen fanden überhaupt je etwas...

 

 

Im Rausch war natürlich keine Zeit, qualitativ hochwertig zu bauen - und so gibt es einige skurrile Relikte aus dieser Zeit zu bestaunen ;)

 

 

Passt!

 

 

Abgesehen von diesen paar "Bruchbuden" wurde Dawson aber wirklich sehr schön im Schuss gehalten und ist ein herziges kleines Nest, dessen Besuch sich lohnt! Zwar ist es wiederum eine Mischung zwischen wahrer Goldgräberstadt und Disneyland-Kitsch-Idylle. Aber im Gegensatz zu Skagway minus vier Kreuzfahrtschiffe im Hafen, minus tausende Touristen auf den Strassen, minus ein paar zu gut polierte und zu saubere Fassaden, und vor allem minus internationale Markenboutiquen an jeder Ecke. Natürlich ist auch in Dawson nicht mehr alles authentisch - aber es wirkt um Längen ungekünstelter als seine Schwesterstadt in Alaska.

 

 

Ich genoss den fast endlosen Tag hier oben, und machte mich um 23 Uhr und 2 Uhr "nachts" nochmals zu je einem Stadtrundgang auf. Witzig!

 

Nach einer entsprechend kleinen Portion Schlaf befinde ich mich am nächsten Morgen bereits wieder am kleinen Airfield von Dawson City, welches langsam aber sicher zum Leben erwacht. Mehrere leicht verkatert wirkende Buschpiloten schlurfen zu ihren Maschinen, eine erste Super Cub hebt bereits ihre Nase in den kühlen Wind. Endlich zeigt sich - 30 Minuten verspätet - meine Maschine über dem Platz, wirft sich dann in einen abenteuerlichen Sichtanflug, und schlägt wenig später auf der Kiespiste auf: Es ist die HS748 C-FAGI, 41-jährig, und noch immer gut im Saft.

 

 

GPS-Track: [url]http://de.wikiloc.com/wikiloc/view.do?id=2583691[/url]

 

Nach 15-minütigem Stop am Boden täxelt die gut gefüllte HS748 ans Ende der Piste, macht Kehrt, und richtet sich für den Takeoff aus. Auf der nur 1,5 Kilometer kurzen Kiespiste zählt jedes PS, und bald zerren 4600 Pferde die 20 Tonnen schwere Maschine nach vorne. Wir erheben uns in den klaren Morgenhimmel, folgen mit einigen Schlenkern dem Tal, und drehen dann schliesslich in Richtung unserer nächsten Destination ab: Old Crow.

 

Da drüben hinter den Hügeln liegt schon wieder Alaska, doch das lassen wir links liegen!

 

 

Schliesslich geht's über die Ogilvie Mountains...

 

 

...und bald kommt unsere Zwischenstation, die Siedlung Old Crow in Sicht. Das Dorf mit dem ulkigen Namen ist die Heimat von 267 Personen - hauptsächlich Indianer des Gwitch'in Stammes - und mangels Anbindung ans Strassennetz nur per Flieger zu erreichen. Immerhin ist die Dirt Runway nicht zu übersehen!

 

 

Turning finals über dem mächtigen Yukon, so macht das Spass!

 

 

 

 

Kurz später landen wir sicher und weich auf der holprigen Piste, nur wenige Sekunden nach dem Touchdown kommt die Maschine bereits vor dem niedlichen kleinen Holzterminal zum stehen und spuckt ein halbes Dutzend Passagiere aus. Kaum sind diese verschwunden, strömen doppelt so viele Ureinwohner auf den Flieger zu und machen sich über die wenigen noch freien Sitze her. Mein Pech mit Indianern beschert mir auch dieses Mal wieder eine Sitznachbarin von der extrem fülligen und stark riechenden Sorte - andererseits, was anderes war da gar nicht im Angebot. Nase zu und durch! Ebenfalls zugestiegen ist das Inflight Entertainment - eine Schar von gefühlten 100 Mücken, welche uns und unsere Hände die gesamte restliche Flugdauer über seeeehr beschäftigt halten sollten.

 

 

Nach rekordverdächtigen 5 Minuten war der Turn-Around in Old Crow um, und genauso flink, wie wir gelandet waren, waren wir auch schon wieder weg. Nächstes Ziel: Inuvik, das Versorgungszentrum des Nordens, einige Grad über dem Polarkreis. Die Indianerin aus Old Crow weihte mich derweil in schwer verständlichem, gebrochenem Englisch in das Leben in ihrer Gemeinde ein. Noch immer leben die Einwohner hauptsächlich von den nahen Rentierherden - nicht nur zum Essen werden die Tiere gebraucht, auch zur Herstellung von Kleidung und Werkzeug dienen sie. Dennoch ist nicht mehr ganz alles so ursprünglich: Das Gewehr hat den Bogen ersetzt, das Schneemobil die Schlittenhunde in die warme Stube verdrängt, und statt draussen in der Natur nach Spuren der Rentierherden zu suchen, werden diese nun mittels GPS am heimischen PC getrackt.

 

 

Doch die Idylle ist getrübt: Die Rentiere werden immer weniger (Schuld seien nahe Ölbohrungen), Drogen- und Alkoholprobleme grassieren in der Bevölkerung, und die Jugendlichen befinden sich in einer totalen Identitätskrise, hin- und hergerissen zwischen MTV, Socal Media und Lady Gaga auf der einen sowie Abgeschiedenheit, jahrhundertelanger Tradition und ärmlicher Lebensform auf der anderen Seite; astronomisch hohe Selbstmordraten seien die Folge. Darum hat Old Crow auch seit einiger Zeit die Alkohol-Prohibition wieder eingesetzt.

 

Diese Erzählungen (und die ständige Jagd nach Moskitos) liessen den stündigen Flug rasch vorübergehen, und schon waren wir über tausenden kleinen Seen im Anflug auf Inuvik. Diesmal ohne spektakuläre Manöver beendete die Crew den Trip in den Norden, auf dem vergleichsweise grossen (und mit Betonpiste ausgestatteten) Airport. Für sie ging's nun den gleichen Weg zurück nach Whitehorse, ich blieb derweil für die Nacht in Inuvik.

 

 

Bevor's in die Stadt geht aber noch ein Blick in Cockpit und Kabine des Nordhüpfers!

 

 

 

Inuvik ist hauptsächlich eine Verwaltungsstadt, viel zu sehen gibt's nicht. Wenigstens sind die Häuser farbig, wenn schon die Nächte im Winter ewig lang sind

 

 

Immerhin, neben seiner Iglu-Kirche hat Inuvik seit kurzem eine neue Attraktion: die kleine Midnight Sun Moschee, Stolz der ansehnlichen muslimischen Gemeinde des Ortes (Taxifahrer, Bauarbeiter, etc.).

 

Gewiss, die gelbe Baracke verfügt nicht über den prunkvollen Glamour anderer muslimischer Tempel, da hilft auch das drangepappte Minarettlein mit dem kantig ausgesägten Halbmond nichts. Eindrücklich ist vielmehr die Geschichte hinter der Moschee: Diese wurde von einem arabischen Verband in Kanadas Süden gesponsert, weil die kleine lokale muslimische Community niemals eine eigene Gebetsstätte vermocht hätte. Nachdem sie dann in Winnipeg gebaut worden war, musste sie nur noch nach Inuvik gelangen - eine 4000 Kilometer lange Odyssee auf Sattelschleppern und Frachtschiffen, während welcher das Gebäude mehr als einmal um ein Haar in einen Fluss gekippt wäre. Und so fieberte schliesslich jeder Einwohner Inuviks, ob Muslim oder nicht, dem Herbsttag entgegen, als die neue Moschee endlich auf einem Lastkahn um die Biegung im Fluss geschippert kommen würde. Willkommen im offenen Multikulti-Norden!

 

 

Schliesslich zog ich mich für die Nacht in mein Hotel zurück - nur schlafen konnte ich nicht, denn ich musste natürlich unbedingt das Spektakel der Mitternachts-Sonne hier nördlich des Polarkreises miterleben - und selbstverständlich schien die auch um 1, 2, und 3 Uhr noch weiter. Nach diesem wunderschönen dreistündigen Sonnenuntergang versteckte sich die orange Scheibe dann morgens um halb vier glücklicherweise doch kurzzeitig hinter einer Baumreihe - sonst hätte man mich wohl gar nicht mehr ins Bett gekriegt!

 

 

Ohne viel Schlaf war ich am nächsten Morgen zurück am Airport...mjam, da kommt schon mein nächstes Fliegerlein angerollt!

 

 

Von Inuvik bleiben nicht mehr allzu viele Richtungen übrig, also geht's nun wieder südwärts!

 

GPS-Track: [url]http://de.wikiloc.com/wikiloc/view.do?id=2537539[/url]

 

Ganz so schnell ging's allerdings nicht los. Erst einmal mussten diverse Leute umplatziert werden, weil die hintersten fünf Reihen für einen Gefangenentransport gebraucht wurden.

Doch damit war die Sache noch nicht ausgestanden. Wir hatten schon unsere Triebwerke gestartet und zu rollen begonnen, da heulten Sirenen auf und Feuerwehrautos brausten über das Vorfeld. Ausbruch der Gefangenen? Geiselnahme? Invasion der Rentierarmee? Nicht ganz. Ein Buschpilot hat seine Cessna etwas hart auf die Piste geknallt, sich einen Reifenplatzer eingefangen, und blockierte nun die einzige Runway. Triebwerke runterfahren, warten.

 

Endlich, nach 20 Minutne haben sie die Cessna von der Piste geschleppt, das Donnerschweinchen kann loslegen!

 

 

Aaaah, unvergleichlich, diese Landschaften! Und dazu das alte Zigarren-Triebwerk - perfekt!

 

 

Natürlich geht's auch hier nicht ohne Zwischenstopp. Kaum auf den 31'000 Fuss Reiseflughöhe angekommen, wurde die Tinmouse wieder in den Sinkflug gewürgt, für den direkten Anflug ausgerichtet, und setzte bald in der ölreichen 800-Einwohner-Stadt Norman Wells auf. Die Piste hier ist bloss 6'000 Fuss oder 1,8 Kilometer kurz (das sind nur 300 Meter mehr als London City!). Und das heisst? Genau, voll in die Eisen steigen und gleichzeitig den Umkehrschub volles Rohr aufheulen lassen. Musik in meinen Ohren, und Spektakel direkt vor meinen Augen!

 

 

Die Schönheit auf dem kleinen Vorfeld von Norman Wells, welches dem einen oder anderen auch von den "Ice Pilots" bekannt sein dürfte.

Die Stadt dient vor allem der Ölförderung - so heisst sie schon in der Sprache der Eingeborenen "Tłegǫ́hłı̨" - "dort, wo es Öl gibt".

 

 

Während dem einstündigen Weiterflug nach Yellowknife fuhr die Natur nochmals alles auf, was sie an Schönheiten zu bieten hatte: Zuerst den mächtigen Mackenzie River, der dem Tal den Namen gibt...

 

 

...dann ein paar nette Flusschleifen...

 

 

...und schliesslich gab's nochmals eine Hundertschaft an Tümpeln zu bestaunen; im Hintergrund der noch teilweise gefrorene (Mitte Juli!) Grosse Bärensee

 

 

Bereits kommt Yellowknife (am rechten Bildrand) und der Airport (rechte Bildmitte) in Sicht. Die Piloten luden ein zum Schlussbouquet und quetschten die alte Lady in einem engen Sichtanflug auf den Pistenkurs. Recht so!

 

 

Welcome to Yellowknife!

 

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