In Anchorage musste ich um 4 Uhr aus den Federn, denn ich hatte viel vor!

 

GPS-Track: [url]http://de.wikiloc.com/wikiloc/view.do?id=2505990[/url]

 

Das erste Leg von Anchorage nach Fairbanks war uninteressant - zwar läge der höchste Berg der USA, Mount Denali, an der Strecke, doch der hüllte sich leider wie so oft in Wolken. Erst im Anflug gibt's was zu sehen - der Tanana River begrüsst uns im "Hinterland"

 

 

Kurz vor der Landung überfliegen wir den Fluss schliesslich

 

 

Kommentar der Flight Attendant: "Welcome to Fairbanks, my hometown, and the most beautiful city in the world!"

 

Die meisten Passagiere haben unseren Flug nur als Shuttle von Anchorage nach Fairbanks benutzt; doch jetzt fängt der Spass erst richtig an! Nach einer halben Stunde werden wir wieder vom Gate zurückgestossen und nehmen das zweite Leg des Tages in Angriff: Hoch zum toten Ross, nach Deadhorse.

 

Einer der vielen schönen Flüsse auf der Strecke, der Hodzana River

 

 

Zwanzig Minuten später sieht die Szenerie schon vollkommen anders aus: Willkommen in der Region North Slope über dem Polarkreis!

 

 

Obiges Bild entstammt schon dem Anflug auf Deadhorse, wo wir kurze Zeit später landen. Und auf dem Apron begrüssen mich schon zwei Leckerlis, eine 737-200 einer Ölgesellschaft sowie eine DC-6 von Everts Air Cargo. Weshalb der ganze Aufmarsch? Unter der nahegelegenen Prudhoe Bay befindet sich das grösste Ölvorkommen der USA, welches natürlich fleissig ausgebeutet wird. Dementsprechend gibt es einen stetigen Bedarf an Maschinen und Ersatzteilen.

 

 

Doch nicht nur Geräte müssen eingeflogen werden, sondern auch die über 3000 Arbeiter kommen alle mit dem Flugzeug. Auch unserem Flieger entsteigen ein paar Dutzend Männer in Overalls. Die aufmerksame Flight Attendant wünscht dabei jedem von ihnen eine schöne Arbeitswoche. Kurz später steigen ebensoviele Arbeiter zu und die F/A stellt auf "na, gute Woche gehabt? Bereit für die Rückkehr nach Hause, Honey?" um - aha, Schichtwechsel im hohen Norden.

 

 

Die Crew umsorgt derweil die zugestiegenen Arbeiter ("want a beer after your hard week, honey?"), was die Augen der sichtlich erschöpften Männer zum leuchten bringt. Als ich die F/A anspreche und ihr gratuliere, dass ich noch nie einen so herzlichen Service erlebt hätte, ist sie ganz überrascht und meint: "This is Alaska, these are my people. I'm honored to serve them."

 

Netter Service nicht, weil es einen Bonus gibt oder so im Arbeitsvertrag steht, sondern weil einem die Passagiere am Herzen liegen - dass ich das noch erleben darf! Jaja, der gute Alaska Spirit mal wieder :)

 

 

Nach einer guten halben Stunde sind wir auch hier durch, und nehmen die letzte Destination des Fluges ins Visier: Barrow, die nördlichste Stadt der USA. Der Flug dorthin bietet nochmals genügend Gelegenheiten, sich am seltsamen Charme dieses Erdteils sattzusehen.

 

 

Achtung: Was wir hier überfliegen ist nicht etwa das Wolkenmeer, sondern der zugefrorene arktische Ozean! Wunderschön!

 

 

Selbigen überfliegen wir auch eine halbe Stunde später wieder, als die Piloten die 737 mittels eines Teardrop-Approaches auf die Piste in Barrow ausrichten. Hier ist der "Breakup" aber bereits erfolgt, das Eis treibt nur noch in Schollenform umher

 

 

Willkommen in Barrow, am Ende der Welt! Wir platzen mitten in einen Schneesturm hinein (Mitte Juni!), und auch sonst wirkt das Nest nur begrenzt attraktiv

 

 

Vom Haupt-Terminal (im Bild oben) disloziere ich zum "Terminal" für die Buschflüge...mmhm, okay, praktische Architektur halt :)

 

 

Es ist aber nicht das Terminal, das mein Interesse geweckt hat, sondern was gerade davor zum Stehen gekommen ist: Die DC-6 aus Deadhorse! Und wie mir ein Flughafen-Mitarbeiter erzählt, soll in wenigen Minuten ein Auto ausgeladen werden. Ein Auto? Ich zweifle. Doch wahrlich, hier ist es!

 

 

Barrow gefällt mir also nicht wirklich, und ich habe noch etliche Stunden, bis mich der Alaska Airlines-Abendflug wieder aufgabeln und zurück in die Zivilisation bringen wird. Also entschliesse ich mich, den Alaskan Spirit noch etwas zu strapazieren und frage am Schalter, ob es möglich sei, gegen ein kleines Entgelt einen der Buschflüge zu begleiten. Und siehe da, es ist - es geht auf eine Runde in die nahegelegenen Eskimo-Dörfer Wainwright und Atqasuk!

 

GPS-Track: [url]http://de.wikiloc.com/wikiloc/view.do?id=2506979[/url]

 

Eine Stunde später finde ich mich eingeklemmt zwischen was auch immer für Frachtgut das ist, in der Cessna Grand Caravan von Era Alaska wieder! Die von einer Familie geführte Airline wird übrigens wie Buffalo drüben in Yellowknife auch von einer Doku-Serie portraitiert: Flying Wild Alaska. [url]http://dsc.discovery.com/videos/flying-wild-alaska-ariel-extras-style-in-alaska.html[/url]

 

 

Schon kurz nach dem Start offenbart sich ein einmaliges Panorama über die Eislandschaften: Im Vordergrund das verschneite Festland, dahinter verschiedene Eiszonen dem Ufer entlang, und hinten der weitgehend eisfreie Ozean

 

 

Weitgehender Whiteout!

 

 

Mit einer engen Kurve steuern wir die unbefestigte Piste von Wainwright an, und kommen wenig später auf dem kleinen Vorfeld zum Stehen. Sofort stürmen die Locals des nicht per Strasse erreichbaren Dorfs auf ihren ATVs herbei und fallen über unseren Flieger, ihre einzige Verbindung zur Aussenwelt, her

 

 

Es dauert nur wenige Minuten, bis wir wieder airborne sind. Blick auf eines der unzähligen Flüsschen

 

 

Auf dem Flug kam ich noch mit dem fliegenden Schlosser ins Gespräch: Der Schlosser von Barrow wird von der Gemeinde bezahlt, dass er während einer Woche pro Monat immer je einen Tag in einem anderen Dorf verbringt, und sich dort den Reparaturbedürfnissen der lokalen Bevölkerung annimmt. Zeit für Gespräche war genug - so eindrücklich die dunkle Tundra- und Seenlandschaft war, irgendwann wurde es dann doch ein Bisserl gar repetitiv.

 

 

Ich habe mittlerweile einen Platz in der ersten Reihe ergattert, und kann so aktiv bei der Suche nach Atqasuks Dirt Runway mitmachen. Wer entdeckt sie?

 

 

Der Pilot kennt die Umgebung natürlich wie seine Westentasche, und steuert uns zielsicher auf das kleine Landefeld zu

 

 

Same story here: Die Ureinwohner leben hier noch immer hauptsächlich von der Natur - Rentier- und Waljagd, Fischfang - trotzdem war der Flieger voller Goodies aus der Zivilisation schon Sekunden nach der Landung auf der staubigen Kiespiste von dutzenden Quads und Pick-up-Trucks umringt. Ich nutze die Zeit, um neue Perspektiven auszuprobieren. Getting dirty! :)

 

 

Nachdem wir beide Eskimo-Dörfer besucht haben, können wir uns auf den Rückweg nach Barrow machen. Hier ein Video vom Takeoff in Atqasuk :)

 

Und ja, die Landschaft ist noch immer die gleiche! Man denke sich in die Pionierzeiten zurück, als die tollkühnen Flieger hier nach Sicht navigiert haben.

Dazu eine passende Episode aus der Biographie von Noel Wien, einem von Alaskas ersten Buschpiloten und Gründer von Alaskas erster Airline. Er flog zusammen mit einem Kollegen eine Filmcrew nach Barrow, doch die zwei Maschinen mussten aufgrund des Wetters auf einem der zahlreichen Seen zwischenlanden und auf Besserung warten. Da sich die Maschine von Wien’s Partner im Schnee eingegraben hatte, flog Wien schliesslich nach Barrow, um Hilfe zu holen. Bloss: Er fand danach den See nicht mehr!

[quote]After Noel Wien flew off for help on May 14, 1928, leaving Russel Merrill and the other two men at the frozen lake, he circled until he found a trail that led him to Barrow. He refuelled at Barrow and took off at once, heading southeast. But a strong crosswind was blowing, and drifting snow obscured the route he had flown and so carefully noted a few hours before.[/quote]

 

Aus Wien's Sichtweise klingt das so:

I flew up and down over the tundra, five hundred to one thousand feet up. There were just thousands of lakes. The tundra was perfectly flat. The ground and the sky were all the same color. I simply couldn’t find the lake, and I was just sick about it. I flew around for five hours and had to go back to Barrow.

Es dauerte schliesslich drei Wochen, den See und den Flieger wiederzufinden. Alle drei Insassen versuchten derweil, zu Fuss irgendwo hinzukommen und wurden nach tagelangen Wanderungen durch die eisige Tundra bei nur einer halben Tasse Reis pro Tag gefunden. Das Abenteuer aus Sicht des anderen Piloten gibt’s in dessen Biografie online zu lesen: [url]http://books.google.ch/books?id=le1znT7v_OEC&lpg=PA134&ots=3vjkTRnHtE&dq=%22noel%20wien%22%22barrow%22&hl=de&pg=PA134#v=onepage&q=%22noel%20wien%22%22barrow%22&f=false[/url]

 

 

 

Zurück zur Navigation: Beachtlich, wie sich Wien schliesslich die Position des Sees während der Bergungsarbeiten merkte:

Once he had found the Travel Air, Wien knew exactly how to return to it. He marked in his memory the small lake on which the plane sat. It was shaped like a backward letter L, just east of two lakes that formed an exclamation point, just south of a larger lake shaped like a sitting frog, all about seven miles from where Inigok Creek made a pronounced bend eastward.

 

Zu Wien’s Zeiten hörte sich auch die Wegbeschreibung nach Barrow abenteuerlich an - ein Direktkurs war aufgrund der Kompassfehler so hoch im Norden offenbar nicht praktikabel:

The 130-by-130-mile expanse of tundra between the Colville River and Barrow was like a sponge, dotted by at least fifteen thousand lakes of a bewildering sameness in size and shape. On a clear day the flyers could have taken up a course down the Colville to its mouth, then westward along the Arctic coast to Barrow, a distance of about 150 miles. This was a sure navigational plan, because it did not depend upon the unreliable compass needle that in these parts swung thirty degrees away from true north.

 

Wie einfach ist es da heute, Barrow zu finden! Einfach „PABR“ ins GPS eintippen, und los geht’s!

 

 

Eine halbe Stunde später sind wir zurück am Ausgangspunkt...oder zumindest fast: Da eine soeben gelandete DC-6 die Piste blockiert (wo gibt's das noch?), dürfen wir noch ne Extrarunde anhängen, und ich kriege sogar noch ein Übersichtsbild von Amerika's nördlichster Stadt. Tadaa!!

 

 

Schliesslich ist es aber soweit, und wir drehen über dem teilweise gefrorenen Ozean in den Endanflug ein

 

 

Very short final für das einzige Stück Asphalt in der Stadt :)

 

 

Fünf Stunden rum, nur nochmals fünf rumzukriegen. Was mache ich bloss damit? Ich erkundete etwas die Gegend rund um den Airport, doch so recht gefallen wollte es mir hier nicht

 

 

Der Schlosser hatte mir den Rat gegeben, doch ein Taxi für eine kurze Rundtour durch die Stadt zu chartern, die seien hier so günstig. Der herbeigerufene philippinische Taxifahrer hatte zwar überhaupt keine Ahnung, was ich von ihm wollte, gab dann aber trotzdem die Preise durch: "Törti Minu törti dolaaaah, sitti Minu fipeti dolaaaah". Alles klar?

Immerhin, er brachte mich erst einmmal zum Ozean - aaaaha. Also noch ein paar Eis-Bilder! :)

 

 

Auf Tuchfühlung mit dem zugefrorenen Tümpel

 

 

Der Fahrer war aber erst der Vorgeschmack auf Barrow selber; Hach, wo war ich hier nur gelandet. Klar ist das Leben in der Abgeschiedenheit nicht einfach, und wieso auch den Ort sauberhalten, wenn sich eh kaum je ein Auswärtiger dorthin verirrt. Aber eine gewisse Grundwürde, Leute, come on! Barrow brannte sich nämlich als ein lieblos hingeworfenes Ensemble von Bruchbuden in Erinnerung, zwischen welchen allerei Schrott - vom Kindervelo über Bootsmotoren und Skidoos bis hin zu ganzen schief in der Gegend liegenden Fischkuttern - munter vor sich hin rottete.

 

 

Aber nichts desto trotz, Regeln müssen sein!

 

 

Da machte es auch nix, dass des Taxifahrers Englisch nicht zu Kommentaren über Sehenswürdigkeiten ausreichte - es gab nämlich schlicht keine, von einem Dutzend zur Schau gestellten Walkiefern (bei jedem rief der Fahrer freudig: "Pictschuuu, Pictschuuu", weil er sie so fotowürdig fand) mal abgesehen. Okay, irgendwie sind sie ja schon noch imposant...

 

 

Hier drehte ich den Spiess mit dem Pictschuuu mal um, denn das Taxi passte so wunderschön vor den gigantischen Kiefer dieses Wals, der 15,7 Meter in der Länge mass. Der (besser: die, es war nämlich eine Wälin, oder wie das heisst :)) wurde in meinem Geburtsjahr erlegt - mit 14 Booten fuhren die Männer nach draussen, um das Riesenvieh zu bändigen!

 

 

Letzte Option: Flucht in die Natur! 15 Kilometer nördlich der Stadt liegt Point Barrow, der nördlichste Punkt der kontinentalen USA. Nach einem holprigen Ritt auf einer abenteuerlichen Schotterpiste war es geschafft: Auf einer schmalen Landzunge umringt vom Eis des Ozeanns stehend, richtete ich meine Blick nach Norden - 2090 Kilometer bis zum Nordpol!

 

 

 

Eine weitere Stunde rum. Nur noch vier, die ich aushalten muss. Und da gab ich auf und zog mich ins Terminal zurück. Ich genoss es, hier gratis WLAN zu haben, während es in der ganzen Stadt sonst noch nicht einmal ein Mobilfunknetz gab! Wie auch immer die Datenpakete den Weg durch die Tundra finden, etwas crazy war es ja schon. Aber immerhin überbrückte es hier, im Niemandsland, meine Wartezeit auf den Rückflug in die Zivilisation. Und nach einem ausgedehnten Schläfchen war es endlich Zeit dafür.

 

GPS-Track: [url]http://de.wikiloc.com/wikiloc/view.do?id=2505992[/url]

 

Und als ich im Anflug auf Fairbanks das erste Mal wieder dichte Wälder in sattestem Grün erblickte, war ich erleichtert. So einzigartig und speziell die Region am Polarmeer sein mag - irgendwann mag man keinen einzigen gefrorenen Tümpel mehr sehen, und sehnt sich nach etwas landschaftlich Greifbarerem als nur kargen dunklen Tundraböden. Und letzlich freut man sich, in einer Stadt zu landen, wo ab und zu mal die Strassen gefegt und Unrat fachgerecht entsorgt wird. Aber ein bereichernder Tagesausflug war's allemal!

 

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